Eimsbüttel ist eine mittlere Großstadt: Mit 230.000 Einwohnern hat der Hamburger Bezirk ungefähr die Größe Kiels. Sein ausgeprägt städtisches Milieu mit vielen umweltbewussten Familien, der Uni und kurzen Wegen dank bester allgemeiner Infrastruktur könnten Eimsbüttel zu einer Radfahrerhochburg machen. Wer hier lebt, braucht kein Auto. Eigentlich. Doch wie fahrradfreundlich ist Eimsbüttel wirklich?
Auf dem Weg zum Modellbezirk

Trotz seiner tollen Rahmenbedingungen hinkt Eimsbüttel bei den Bezirken Hamburgs hinterher, was die Fahrradnutzung im Alltag angeht. Laut der Studie »Mobilität in Deutschland« (MiD) von 2008 hat der Bezirk einen Radverkehrsanteil von 12,4 Prozent. Altona erreicht mit 17,7 Prozent fast schon den von der »Radverkehrsstrategie für Hamburg« für 2015 geforderten Wert von 18 Prozent, in Wandsbek und Nord werden immerhin noch 14,4 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt.
Warum ihr Bezirk so dürftig abschneidet, scheint auch immer mehr Eimsbütteler Politiker zu interessieren – spätestens seit mit Torsten Sevecke ein »leidenschaftlicher Radfahrer« an der Spitze des Bezirksamts steht. Sevecke, ein sportlicher Reserveoffizier, fährt zu Terminen gern mit dem Rad: »Da habe ich einen direkteren Kontakt zu den Menschen«, so der SPD-Mann, der »grundsätzlich für die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer« sei. Warum aber nutzen seine Eimsbütteler nicht viel öfter das Rad?
Tut sich was?
Auf Antrag von Seveckes Fraktion und der GAL beschloss die Bezirksversammlung Eimsbüttel daher im Herbst 2010, die Verwaltung aufzufordern, dem Auftrag der Radverkehrsstrategie nachzukommen und ein bezirkliches Fahrradforum einzurichten. Vertreter der Behörden, von Presse, Verbänden, Parteien, Polizei, Tiefbauamt und Bürgerinitiativen treffen sich regelmäßig, um alle wichtigen Radverkehrsplanungen und -baumaßnahmen zu diskutieren und zu begleiten. So die Idee. Geschehen ist allerdings bislang noch nichts, auf Nachfragen des ADFC antwortet die Verwaltung mit vagen Terminankündigungen.
Dass etwas getan werden muss im Staate Eimsbüttel, dämmert aber inzwischen auch der Behörde. Das Shared-Space-Pilotprojekt in der Osterstraße liegt auf Eis und ganze 500 m neuer Radfahrstreifen in der Methfesselstraße sind auch nicht gerade ein Ruhmesblatt der bezirklichen Radverkehrsförderung. Viel ist in Eimsbüttel in den letzten Jahren wirklich nicht für den Radverkehr passiert, der Nachholbedarf ist entsprechend groß: An allen Ecken fehlen angemessene Abstellanlagen, viele Radverkehrsanlagen sind veraltet, falsch und selbst neue Anlagen werden oft noch so geplant, dass sie Radfahrer und Fußgänger benachteiligen. Von den diskriminierenden Ampelschaltungen ganz zu schweigen: Wer zum Beispiel als Radfahrer oder Fußgänger die Fruchtallee an der Christuskirche überwinden will, muss dort zwischen drei Ampeln oft quälend lange und ungesunde Minuten inmitten einer Dreck und Lärm produzierenden Blechlawine verbringen.
Gerade die beliebten Einkaufsstraßen Eimsbüttels wie die Grindelallee oder die Hoheluftchaussee oder die Osterstraße sind für Radfahrer äußerst unattraktiv: keine guten Wege, viel Autoverkehr, miserable »Aufenthaltsqualität«. Aber auch die sich häufenden Verkehrsunfälle mit lebensgefährlichen und tödlichen Verletzungen von Radfahrern zwingen die Bezirkspolitiker zum Nachdenken, verkehrspolitisch endlich aktiv zu werden. Als Erstes soll nun ein Radverkehrskonzept für Eimsbüttel erarbeitet werden, um auf dieser Basis konkrete Planungs- und Baumaßnahmen auszuwählen.

Der Auftrag
Das »Fachamt Management des öffentlichen Raumes« des Eimsbütteler Baudezernats beauftragte damit die Stadt- und Verkehrsplaner der ARGUS, welche die Stadt unter anderem auch bei der Gebietserschließung für die HafenCity berät. Projektverantwortlicher für das Eimsbütteler Radverkehrskonzept ist Diplom-Ingenieur Markus Franke. Es ginge jetzt darum, »eine Basis für die bezirkliche Radverkehrsförderung der kommenden Jahre zu schaffen«, so der Verkehrsplaner im Gespräch. Dazu solle ein möglichst engmaschiges bezirkliches Netz von Fahrradrouten entwickelt werden, das das städtische Grundgerüst der Velorouten »verdichte«.
Im ersten Schritt analysiere man jetzt das Siedlungsgefüge und Nachfrageschwerpunkte, um eine Abstufung der in Angriff zu nehmenden Maßnahmen zu finden. Ziel müsse es sein, mit den wie immer begrenzten Mitteln, welche die »europäische Umwelthauptstadt« Hamburg für Radverkehr aufwende, möglichst viele radelnde Eimsbütteler glücklich zu machen.
Viel Arbeit
Noch ist das Projekt in einer sehr frühen Phase und es müssen erst die Ausschüsse informiert und befragt werden. Die Probleme des Radverkehrs in Eimsbüttel stuft Franke aber als »sehr umfassend« ein. Die meisten Radverkehrsanlagen im Bezirk seien veraltet und zum Teil schon lange in einem verbesserungsbedürftigen Zustand. Aber es gebe auch hoffnungsvolle Signale. Immerhin sei die Veloroute 3, die Eimsbüttel mit der City verbinden soll, weitgehend ausgebaut, auch wenn es vereinzelt noch Kopfsteinpflasterpassagen gebe. Zudem habe der »Systemwechsel« – weg von Radwegen auf Bürgersteigen, hin zu Radfahrstreifen und Radfahren auf der Fahrbahn – durch die StVO-Novelle und die jüngsten Gerichtsurteile »viel Schwung« bekommen, in der Verwaltung schrumpfe der Widerstand gegen moderne Verkehrslösungen für Hamburg.
Bezirksamtsleiter Sevecke weiß es vermutlich schon: Rad fahren ist die urbane und klimaneutrale Mobilität der Zukunft. Ein Radverkehrskonzept für Eimsbüttel ist daher überfällig. Aber seine Umsetzung braucht Geld und politischen Willen. Endlich das Fahrradforum einzuberufen, wäre ein wichtiges Signal von Seiten des Bezirks.
Dirk Lau in RadCity 3/2011

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