RadCity: Du warst Umweltbürgermeister von Kopenhagen, seit Anfang dieses Jahres bist du jetzt bei Copenhagenize. Wie ist Radfahren in Kopenhagen für dich?
Morten Kabell: Es ist selbstverständlich. Ungefähr 60 Prozent der Kopenhagener fahren jeden Tag mit ihrem Fahrrad zur Arbeit oder zur Schule. Es ist das häufigste Verkehrsmittel. Radfahren ist für mich einfach die beste und schnellste Art, sich fortzubewegen. Und die Stadt ist so organisiert, dass auch der größte Teil der Wege per Rad passiert. Und daher verstehe ich mich eigentlich auch gar nicht als »Radfahrer« – ich fahre einfach nur jeden Tag Fahrrad!
Das klingt lustig in den Ohren von deutschen Radfahrern …
Diese Reaktion ist mir bekannt. Ich bin auf vielen Konferenzen gewesen, und sie ist immer ähnlich, wenn Kopenhagener sagen: Wir sind keine Fahrradfahrer, hier geht es nicht ums Fahrrad! Nein, es geht um die Schaffung einer kreativen, einer sicheren, einer grünen Stadt. Eine Stadt, in der man atmen kann, ohne sich darüber Sorgen machen zu müssen. Und dafür ist das Fahrrad das beste Fortbewegungsmittel. Und es ist auch das Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.
Wie ist Kopenhagen so geworden?
Es hat schon eine Zeit gedauert, und es war jede Menge Einsatz nötig, viele Debatten und Gespräche auf vielen Ebenen, weil Kopenhagen noch vor einigen Jahrzehnten eine extrem Auto-orientierte Stadt war. Als ich aufwuchs, gab es noch viele Straßen, auf denen Eltern ihren Kindern nicht erlaubten, Fahrrad zu fahren. Doch irgendwann sagten sehr viele Kopenhagener: »Genug! Wir wollen unsere Stadt wiederhaben!«.
Was war passiert?
Wenn man sich historische Abbildungen von Kopenhagen ansieht, dann sieht man, dass alle Plätze als Parkplätze genutzt wurden. Alle Straßen waren voll mit Autos – und logischerweise kriegt man da irgendwann genug, die Menschen fingen an zu demonstrieren. Und irgendwann hatten wir dann 150000 Demonstranten vor dem Rathaus. Das war in den 1970ern, aber bis in die 1980er-Jahre haben Menschen für mehr Fahrräder und für sicherere Straßen demonstriert. Und langsam hat die Stadt angefangen zu reagieren, zu antworten und das Fahrrad wieder miteinzubeziehen in die Stadtentwicklung, so wie es viel früher schon mal war, als alle westeuropäischen Städte fahrradfreundlich angelegt waren.
Es gab also keinen politischen Masterplan, sondern die Veränderung kam von den Menschen selber?
Es war eine Aktion von unten. Natürlich haben die Politiker das auch langsam begriffen, besonders so ab 2005. Ab da gab es auch einen starken politischen Willen, das Fahrrad voranzubringen. Es gab einen guten Dialog zwischen oben und unten, zwischen Bürgern, der Stadtverwaltung und den Planern, um eine bessere Stadt zu bauen.
Gibt es ein Programm wie das Hamburger »Bündnis für den Radverkehr«?
Sicher, im Laufe der Jahre gab es viele verschiedene Maßnahmenpakete der Stadt. Es begann vor 10 oder 15 Jahren, als die Stadt das Ziel aufgegriffen hat, die beste Fahrradstadt der Welt zu werden, bis hin zu dem Punkt vor wenigen Jahren, als wir abschließend feststellen konnten, dass wir wirklich die beste Fahrradstadt der Welt geworden sind. Und dann hat sich die Diskussion verändert, und es hieß nun: Okay, lasst uns das noch weiter bringen und versuchen, noch besser zu sein.