Bußgeld fürs Gehwegradeln
Seit dem 9.11.2021 gelten bundesweit höhere Buß- und Verwarngelder. Die lang ersehnte Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) soll für mehr Verkehrssicherheit sorgen.
Am 11. November 2021 meldete sich Bruno [Name von der Redaktion geändert] bei uns, nachdem er von Freund*in & Helfer*in auf der Veloroute 10 in der Nartenstraße in Harburg gestoppt worden war. Er hatte auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad den Bürgersteig benutzt: „Ich fahre morgens durch die Nartenstraße. Sie führt durch ein Industriegebiet, wo viele Lastwagen unterwegs sind. Einen Fahrradweg gibt es nicht, sodass ich aus Angst auf dem breiten Gehweg fahre. Im letzten Sommer hatte ich einen Unfall, der gerade noch einmal gut ausgegangen ist. Seitdem reagiere ich panisch, wenn ein Lastwagen an mir vorbei fährt. Heute früh hat sich die Polizei dort postiert, um Radfahrer*innen auf die Fahrbahn zu schicken oder sie anzuweisen, ihr Fahrrad auf dem Gehweg zu schieben. Sonst wäre ein Bußgeld in Höhe von 55 Euro fällig geworden.“ Bruno kam an jenem besagten Donnerstag mit einer kostenfreien Verwarnung davon, auch wenn er aufgrund seiner Angst vor Lastwagen wenig erfreut war, auf die Fahrbahn ausweichen zu müssen. Allerdings stellt sich die Frage, was Bruno hätte zahlen müssen, und ob die angedrohten 55 Euro tatsächlich korrekt gewesen wären.
Verwarn- und Bußgelder sind spürbar gestiegen
Deutlich teurer als in der Vergangenheit sind nun das unzulässige Parken auf Geh- und Radwegen oder in gesperrten Straßen, das unzulässige Halten in zweiter Reihe und auf Schutzstreifen sowie die vorschriftswidrige Benutzung von Gehwegen und linken Radwegen mit jeweils 55 Euro pro Verstoß. 70 Euro werden bei Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer*innen fällig, sofern diese ausweichen müssen, 80 Euro kostet es, wenn der Verstoß zusätzlich mit einer Gefährdung verbunden war.
Gelten diese Buß- und Verwarngelder für alle Fahrzeugführenden, also gleichermaßen für Radfahrende und Kfz-Führende? Nicht immer. In einigen Fällen differenziert die Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) nach Fahrzeugarten. Wenn die Zeichen 239 (Gehweg), Zeichen 240 (gemeinsamer Geh- und Radweg), Zeichen 241 (Gehwegteil), Zeichen 242.1 (Fußgängerzone) oder Zeichen 250, 251, 253, 254, 255, 260 (Verkehrsverbote) angeordnet sind, kostet vorschriftswidriges Befahren und Halten beispielsweise mit dem Lkw 100 Euro, mit dem Pkw 50 Euro und mit dem Fahrrad 25 Euro.
Wenn die BKatV jedoch keine Unterscheidung nach Fahrzeugart vorsieht – zum Beispiel beim Parken in zweiter Reihe, Parken im Halteverbot oder vorschriftswidriger Nutzung eines Rad- oder Gehwegs –, dann wird dem geringeren Gefahrenpotenzial nicht motorisierter Verkehrsteilnehmer*innen Rechnung getragen. Autofahrer*innen werden in solchen Fällen mit 55 Euro zur Kasse gebeten. „Bei Fußgängern soll das Verwarnungsgeld in der Regel 5 Euro, bei Radfahrern in der Regel 15 Euro betragen, sofern der Bußgeldkatalog nichts anderes bestimmt“ (§ 2 Abs. 4 BKatV).
Bei Bußgeldern ab 60 Euro gilt für Radfahrende in der Regel der halbe Satz: „Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes, die von nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern begangen werden, ist, sofern der Bußgeldregelsatz mehr als 55 Euro beträgt und der Bußgeldkatalog nicht besondere Tatbestände für diese Verkehrsteilnehmer enthält, der Regelsatz um die Hälfte zu ermäßigen“ (§ 3 Abs. 6 BKatV). Wer mit Vorsatz handelt, muss wiederum mit dem doppelten Bußgeld rechnen (§ 3 Abs. 4a BKatV).
Und welche Regelungen gelten in Hamburg?
Der Bußgeldkatalog wurde zwar bundeseinheitlich gestaltet, für die Anwendung sind allerdings ausschließlich die Bundesländer zuständig. Daher kann es hier Unterschiede geben. Die für die Anwendung der Straßenverkehrsordnung und der BKatV in Hamburg zuständige Behörde für Inneres und Sport hat nach Rücksprache mit der obersten Straßenverkehrsbehörde Folgendes bestätigt:
"Es ist zwischen beschilderten und unbeschilderten Gehwegen zu unterscheiden. Und es ist bei den unbeschilderten Gehwegen eine Nutzung durch motorisierte und unmotorisierte Verkehrsteilnehmer*innen zu unterscheiden."
"Bei Radfahrer*innen auf unbeschilderten Gehwegen kommt § 2 Abs. 4 BKatV zum Tragen, da im Gegensatz zu Verstößen auf beschilderten Gehwegen (141.1) kein eigenständiger Tatvorwurf für Radfahrer*innen existiert. Somit ist eine Reduktion des Basistatbestands von 55 Euro auf 15 Euro vorzunehmen."
"Bei Staffeltatbeständen, welche sich im originären Bußgeldbereich befinden, ist bei Radfahrer*innenn gemäß § 3 Abs. 6 BKatV hingegen eine Halbierung vorzunehmen."
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Das Verwarngeld für widerrechtliches Radfahren auf Gehwegen, die mit Zeichen 239 (Gehweg) gekennzeichnet sind, beläuft sich somit auf 25 Euro, das Radfahren auf unbeschilderten Gehwegen wird hingegen mit nur 15 Euro bestraft. Das – und nicht etwa die angedrohten 55 Euro – wäre an besagtem Donnerstagmorgen auf der Nartenstraße dann auch Brunos „Höchststrafe“ gewesen.
Doch was dieser Fall auch deutlich macht ist, dass auf der Veloroute 10 eine gute Infrastruktur für den Radverkehr eingerichtet werden muss. Die Arbeiten hierfür haben bereits begonnen: Im Dezember 2021 wurde in der nur 500 Meter entfernt liegenden Blohmstraße und im westlichen Bereich der Straße Kanalplatz ein Zweirichtungsradweg im Radschnellwegstandard hergestellt, also entsprechend breit und unterbrechungsfrei. So soll es bald auch in der Nartenstraße ausschauen: Bis Mitte August 2022 will die Stadt den Abschnitt der Veloroute 10 durch den Harburger Binnenhafen fertigstellen.
Benjamin Harders
RADFAHREN AUF GEHWEGEN
Das Radfahren auf Gehwegen stellt aufgrund der Gefahren für den Fußverkehr eine besondere Ausnahme dar.
Auf ausnahmsweise für den Radverkehr freigegebenen Gehwegen, die mit dem Zeichen 239 (Gehweg) und dem Zusatzzeichen 1022-10 (Radfahrer*innen frei) ausgeschildert sind, gilt Schrittgeschwindigkeit, auf anderen freigegebenen Gehwegen mit den Zeichen 240 (Gemeinsamer Geh- und Radweg) oder 1022-10 muss die Geschwindigkeit der Situation angepasst sein und sollte 30 km/h nicht überschreiten.
Auf nicht für den Radverkehr freigegebenen Gehwegen darf hingegen nur dann eine geeignete Person – in der Regel ab 16 Jahren – Rad fahren, wenn sie unter achtjährige Radfahrende begleitet. Die Innenbehörde hat strenge Vorgaben zur Freigabe von Gehwegen definiert.
Dieser Artikel stammt aus der RadCity 1.22.