Gertigstrasse in Hamburg

Frisch gebügelt – die Gertigstraße hat sich schick gemacht und viele neue Radabstellplätze erhalten. © Cajus Pruin

Umbau Gertigstraße

 

Mit der Fertigstellung der Arbeiten in der Gertigstraße wurde das Hamburger Veloroutennetz – in diesem Fall die Veloroute 13 – um ein weiteres Puzzleteil ergänzt.

 

Das Konzept dieses Abschnittes ist recht überschaubar: Am eigentlichen Straßenraumprofil, das für eine Fahrradstraße mit einer Fahrspur je Richtung vermeintlich hinreichend Platz aufweist, wurde nichts verändert. Der vorhandene, handtuchbreite Hochbord-Radweg wurde zurückgebaut und die Fläche dem Fußverkehr zugeordnet. Da in diesem Zusammenhang die Fußwegbereiche komplett neu gepflastert wurden, ist eine einheitliche Fläche mit grundsätzlich hoher Aufenthaltsqualität entstanden – das haben auch die Gewerbetreibenden erkannt und zum Teil ihre Konzepte angepasst. Insbesondere die Gastronomie hat zahlreiche Flächen für die Außenbewirtschaftung okkupiert. Das ist einerseits schön und sorgt für eine gute Atmosphäre, andererseits ist es nun in etlichen Bereichen für Fußgänger*innen fast wieder so eng wie vor dem Umbau.

Weniger Autoverkehr

Auf der Fahrbahn fällt auf, dass der Anteil an motorisiertem Verkehr tatsächlich abgenommen hat, das kann man wahrnehmen, ohne dezidiert Verkehrsmengen zählen zu müssen. Da der Abschnitt aber nicht durch modale Filter aus dem Netz der Durchfahrstraßen herausgetrennt wurde und auch keine Beschränkung, zum Beispiel „Anlieger frei“, definiert wurde, bleibt das grundsätzliche Problem, dass immer noch zu viel motorisierter Durchgangsverkehr durch die Straße fährt, und das immer wieder viel zu schnell. Auch die Sicherheitsabstände werden – wie üblich – eher unterschritten als eingehalten.

Die Bezeichnung „Puzzleteil“ vom Beginn ist in diesem Zusammenhang bewusst gewählt. Denn nur isoliert betrachtet kann man dem Abschnitt etwas abgewinnen. Wer die Veloroute von Ost nach West befährt und aus dem Komponistenviertel kommend über die Bachstraßenbrücke in die Gertigstraße einbiegen möchte, findet sich auf der „verkehrten“ Straßenseite wieder und muss sich entgegen der Fahrtrichtung über die Radfurt, an querenden Fußgänger*innen vorbei, auf die Fahrradstraße fädeln – so stellt man sich keine Veloroute vor! Laut Verkehrsbehörde sollen Velorouten „auf kurzen wie langen Strecken zügig und komfortabel durch Hamburg“ führen.

 

Ähnlich sieht es an der Kreuzung zum Mühlenkamp aus. Rechts wie links abbiegend landen Radfahrende auf einem schmalen, rot eingefärbten Schutzstreifen, die Fahrstreifen sind in beide Richtungen so angelegt, dass ein regelkonformes Überholen durch den motorisierten Verkehr kaum möglich ist. Will man hier der Veloroute folgen, muss man sich sofort links einordnen, um in den Poelchaukamp zu gelangen – das ist weder komfortabel noch sicher.

Das ist gut

Auf der Gertigstraße selbst können Radfahrende sich über einen neuen, wirklich sehr gut zu befahrenden Belag freuen. Darüber hinaus wurden viele Fahrradbügel eingebaut, die mittlerweile auch alle gut genutzt werden. Durch Aufpflasterungen zu den einbindenden Straßen Geibelstraße, Forsmannstraße und Schinkelstraße wurde für eine Vorfahrtsituation gesorgt, was grundsätzlich ein zügiges Befahren ermöglicht. Der Fußgänger*innenüberweg auf Höhe der Forsmannstraße ist erhalten worden – hier gab es auf der Beteiligungsveranstaltung ein sehr eindeutiges Votum, da der Überweg morgens und mittags vielen Schüler*innen der Grundschule Forsmannstraße zur Querung dient.

Das ist schlecht

Was nicht funktioniert sind die Dinge, für die regelmäßiges und konsequentes Handeln seitens der Polizei beziehungsweise des Ordnungsamtes erforderlich wären. Wie an vielen anderen Stellen sind die Ladezonen auch hier durch Falschparker*innen belegt, so dass der Lieferverkehr größtenteils auf der Fahrbahn parkt. Insbesondere morgens, wenn radfahrende Berufspendler*innen, Schüler*innen und Lieferverkehr aufeinandertreffen, kommt es regelmäßig zu gefährlichen Situationen. Da modale Filter nicht vorhanden sind und auch auf geschwindigkeitsregulierende Maßnahmen wie Teilaufpflasterungen verzichtet wurde, wird insbesondere abends dort mit weit überhöhter Geschwindigkeit gefahren.

Damit wären wir dann auch bei der aktuellen Rechtsprechung, denn: „Wo Fahrradstraße draufsteht, muss auch Fahrradstraße drin sein“. Dies kann man in der Gertigstraße durchaus kritisch betrachten, denn eigentlich ist es doch nur Tempo 30 mit Mischverkehr – abgesehen davon, dass Radfahrende nun nebeneinander fahren können, ohne sogleich angehupt zu werden, sind die Unterschiede doch sehr gering.

Mehr ADFC hätte gut getan!

Die Bezirksgruppe Nord hatte sich seinerzeit in der Stellungnahme zur Planverschickung für eine Einbahnstraße von der Barmbeker Straße in Richtung Mühlenkamp mit einer Freigabe für den Radverkehr in beide Richtungen stark gemacht. Dies hätte entscheidende Vorteile gehabt: der Durchgangsverkehr hätte noch stärker reduziert werden können, gleichzeitig wäre mehr Platz für den Fuß- und Radverkehr entstanden. Die Idee war naheliegend, war doch im Vorwege mit dem Linksabbiegeverbot vom Mühlenkamp in die Gertigstraße schon eine entsprechende grundlegende Maßnahme realisiert worden. Schade, dass die Anregungen des ADFC nicht aufgenommen wurden. Dies hätte der Gertigstraße neben einer klareren Definition als Fahrradstraße und Teil einer Veloroute auch im Hinblick auf eine Steigerung der Aufenthaltsqualität sicherlich gut getan.

Cajus Pruin


Dieser Artikel stammt aus der aktuellen RadCity 1/2023

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