ADFC-Position: Bus und Rad auf der Strecke
Wie lassen sich Streckenabschnitte gestalten, in denen Busverkehr und Radverkehr auf derselben Fläche stattfinden?
Es gibt Straßen, in denen vermeintlich oder tatsächlich der Platz nicht genügt für getrennte Führung von Bus und Rad. In diesem Positionspapier nennen wir wesentliche Vor- und Nachteile möglicher Führungsformen.
Die wesentlichen Variablen für die Wahl einer geeigneten Lösung
- Vorhandener Platz
- Anzahl der Fahrstreifen pro Richtung
- Busverkehrsaufkommen
- Radverkehrsaufkommen
- zulässige Höchstgeschwindigkeit
- Menge des MIV
Es gibt nicht die eine beste Lösung, sondern diese Variablen sind bei der Planung unter den gegebenen Rahmenbedingungen jeweils abzuwägen. Es ist möglich und erforderlich, attraktive Lösungen für Rad- und Busverkehr zu gestalten. Die Belange des MIV, besonders des ruhenden MIV haben ggf. dahinter zurückzustehen. Die gelegentlich anzutreffende Argumentation, sämtliche Fahrstreifen seien bei Tempo 50 zu erhalten, damit der Bus nicht ausgebremst wird, fördert hingegen insbesondere den MIV, da dieser dabei nichts an Fläche abgibt. Das kann nicht Ziel sein, da es im Sinne von Verkehrssicherheit und Klimaschutz darum gehen muss, ÖV und Radverkehr zu bevorzugen.
Für die Führung von Bus und Rad auf derselben Fläche lassen sich im Wesentlichen folgende Varianten unterscheiden
I. Der Platz reicht für einen MIV-Fahrstreifen und zusätzlich für einen “Busfahrstreifen/Radverkehr frei” mit Überholmöglichkeit innerhalb des Streifens
Das bisher für solche Streifen übliche Maß von 4,75 m Breite reicht nicht aus, um die Überholabstände laut StVO einzuhalten. Daher muss der “Busfahrstreifen/Radverkehr frei” deutlich breiter sein, um ein Überholen innerhalb des Streifens zu ermöglichen.
Die Lösung funktioniert erfahrungsgemäß gut; sind Parkstände vorhanden, muss ein Sicherheitstrennstreifen vorgesehen werden.
II. Der Platz reicht für einen MIV-Fahrstreifen und zusätzlich für einen “Busfahrstreifen/Radverkehr frei” ohne Überholmöglichkeit innerhalb des Streifens
Bei dieser Lösung besteht die Gefahr, dass der Bus ausgebremst wird.
Sie funktioniert gut, wenn die Busfrequenz niedrig ist oder die Strecke kurz ist und/oder Tempo 30 gilt.
Die Lösung funktioniert nicht gut bei langer Strecke, Tempo 50 und wenn der Bus die Radfahrenden nicht über den MIV-Fahrstreifen überholen kann, weil dort das MIV-Aufkommen keine Lücken lässt. Die subjektive Sicherheit für den Radverkehr sinkt, der Busverkehr wird evtl. behindert.
Lösungsvorschlag: Entweder sollte Tempo 30 gelten. Oder Bus und MIV fahren auf einem gemeinsamen Fahrstreifen und für den Radverkehr wird ein Radfahrstreifen markiert.
Alternativ zu dieser Lösung wäre dort, wo der Radverkehr besonders gefördert werden soll und die Busfrequenz niedrig ist, ein “Sonderstreifen Radverkehr mit Zusatz »ÖPNV frei«” anwendbar.
Busfahrstreifen (siehe I. und II.) sollten ohne tageszeitliche Begrenzung gelten. Außerhalb der Zeiten, in denen der Sonderfahrstreifen für Bus, Rad und Taxi wichtig ist, ist auch der MIV geringer und daher die Freigabe des Streifens unnötig. Damit wird vermieden, dass der Streifen zum Parken genutzt wird, was Bus- und Radverkehr behindert und was auf dem Streifen sonst ausdrücklich untersagt werden müsste.
III. Mischverkehr mit MIV, ÖPNV und Radverkehr auf derselben Verkehrsfläche
Tempo 50 im Mischverkehr ist ungeeignet, denn dabei sind die objektive und die subjektive Sicherheit verringert.
Auch die in Hamburger Planungen auftauchende Kombination aus “Mischverkehr bei Tempo 50 und Gehweg/Radverkehr frei” ist keine geeignete Lösung, da sie Ansprüchen an Sicherheit und Komfort des Radverkehrs nicht gerecht wird und zu Lasten des Fußverkehrs geht.
Lösungsvorschlag: Es sollte Tempo 30 angeordnet werden, wenn die Situation nicht anders zu entschärfen ist.
Bei einstreifiger Führung (je Richtung) sollte die Gesamtfahrbahnbreite nicht größer sein als 6,5 m. Bei größeren Breiten kommt es zu gefährlichen Überholversuchen bei Gegenverkehr.
Eine mehrstreifige Führung pro Fahrtrichtung in Kombination mit
Tempo 50 ist im Mischverkehr für Radfahrende unattraktiv und lässt sich sicherer gestalten.
Lösungsvorschlag: Je Fahrtrichtung wird ein Fahrstreifen des MIV umgewandelt in einen “Busfahrstreifen/Radverkehr frei” oder in einen “Radfahrstreifen”. Alternativ kann für die Strecke Tempo 30 angeordnet werden.
IV. Fahrradstraße (ÖPNV frei)
ÖPNV in einer Straße schließt die Einrichtung einer Fahrradstraße nicht aus.
Vorteile:
- Attraktive Regelung für den Radverkehr (nebeneinander fahren, Tempo 30, ggf. ist ein Heraushalten des Durchgangs-MIV möglich)
- Besonders geeignet, um eine Veloroute trotz vorhandenen Busverkehrs attraktiv gestalten zu können
- Rad- und Busverkehr können vorfahrtsberechtigt geführt werden
Nachteil:
- Je nach Streckenlänge und Umfeldbedingungen bremst die Lösung u. U. den Busverkehr
V. kreative Lösungen
Es kann sinnvoll sein, Durchgangs-MIV in einer Straße zu reduzieren oder vollständig herauszunehmen. Die StVO bietet neben der Lösung Fahrradstraße weitere Möglichkeiten, den Verkehr so zu steuern, dass eine Strecke für Bus- und Radverkehr sicher und attraktiv ist.
Geeignete Straßen können z. B. gewidmet werden mit “Bussonderfahrstreifen/Radverkehr frei/Anlieger frei” oder als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich. Eine Straße kann auch mit einem Modalfilter (physisch oder durch Verkehrszeichen) versehen werden, der Bus- und Radverkehr die Durchfahrt erlaubt. Gerade bei Strecken, die als MIV-Schleichwege genutzt werden, dafür aber nicht geeignet sind, bieten sich kreative Lösungen an.
Position beschlossen im Bezirksrat des ADFC Hamburg: 18.12.21
Beschlossen durch den Landesvorstand am 02.03.22