Ein Fahrradweg in einem schlechtem Zustand

Der Gorch-Fock-Wall ist eine der Hauptverkehrsadern in der Innenstadt. Der benutzungspflichtige "Radweg" dort ist dagegen ein schlechter Witz. © Dirk Lau

Verkehrswende im Schneckentempo

Der Bezirk Mitte erstreckt sich von Finkenwerder im Westen bis Billstedt im Osten, umfasst aber auch die Veddel und Wilhelmsburg. Entsprechend vielfältig ist die Verkehrssituation für Radfahrende, entsprechend vielfältig sind damit auch die Aufgaben.

Was all diese Stadtteile gemeinsam haben: Fast überall kommt die Verkehrswende nur im Schneckentempo voran. Viele haarsträubende Radwege und Ampelschaltungen gab es genau so auch schon, als der Verfasser dieses Beitrags 1985 nach Hamburg umzog.

Während Metropolen wie Paris, Barcelona oder Kopenhagen durch klare Priorisierung des Rad- und Fußverkehrs gerade in den Innenstädten den Weg in eine autoärmere Zukunft einschlagen, verharrt Hamburg – immer mit dem Verweis auf den „Wirtschaftsverkehr“ – bezüglich der Stadtgestaltung im letzten Jahrhundert. Auch wenn der gute Wille vieler Planer*innen anzuerkennen ist und mancher neue Radweg örtlich einen Fortschritt darstellt: Die Fahrradpolitik ist letztlich Ausdruck der Maxime, den Durchfluss des motorisierten Individualverkehrs möglichst wenig zu behindern.

Einige Beispiele aus der Innenstadt

In Paris hat man das Seine-Ufer für den Autoverkehr gesperrt, in Hamburg ist der vergleichbare Straßenzug am innerstädtischen Elbufer vom Deichtor über Bei den Mühren bis zum Fischmarkt eine vierspurige Hauptstraße mit schmalen, teils fehlenden, teils brüchigen Hochbordradwegen und ein paar hundert Metern Fahrradspur auf einer Seite. Wer dort regelmäßig unterwegs ist, weiß, wie gefährlich das ist.

Die Budapester Straße vom Pferdemarkt bis zum Millerntorplatz hat auf beiden Seiten viel zu schmale, marode Radwege mit Benutzungspflicht. An der Clemens-Schultz-Straße quert obendrein eine unübersichtliche, schräg verlaufende Einmündung. Auch die Radwege am Gorch-Fock-Wall (Ring 1) sind minderwertig und verlaufen auf einer Seite unmittelbar am Fahrbahnrand (ebenfalls benutzungspflichtig).

Alle drei Straßenzüge sind viel befahrene Verbindungswege, für keinen ist jedoch eine unmittelbar bevorstehende Verbesserung seitens der Verkehrsbehörde bekannt. Die ADFC-Bezirksgruppe (BG) Mitte hat sich vorgenommen, in der nächsten Zeit solche Versäumnisse verstärkt in den Blick zu nehmen.

 

Wichtiges Korrektiv

Erreicht haben wir, dass uns die Planungen der Stadt jetzt ab der 1. Verschickung mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet werden. Die Auseinandersetzung mit Bauplanungen nimmt deshalb einen großen Teil der Arbeit der BG ein. In den letzten Jahren betraf dies beispielsweise den Doppelknoten Neuer Jungfernstieg/Kennedybrücke/Alsterufer sowie den Ballindamm, die Baumaßnahmen an der Manshardtstraße im Zusammenhang mit dem U4-Ausbau, die Ausschläger Allee in Rothenburgsort sowie die Kreuzung Reiherstieg-Hauptdeich/Fährstraße in Wilhelmsburg.

Oft werden bei den Planungen von vornherein die Regelbreiten von Schutzstreifen oder Radfahrstreifen nicht eingehalten – meist, um die Fahrbahnen für den Kfz-Verkehr nicht verschmälern zu müssen. Ein anderes Thema sind die Materialien: In Hamburg werden Radwege gern mit Betonsteinen gepflastert, die den Rollwiderstand erhöhen, durch Wurzelhub rasch aufbrechen und gegenüber der glatten Autofahrbahn eine Schikane darstellen. Wir fordern daher die regelhafte Asphaltierung von Radverkehrsanlagen!

Der Blick aus Sicht der Radfahren­den könnte bei den Planungen ein wichtiges Korrektiv sein. Leider ist es nicht einfach, sich Gehör zu verschaffen – die Vorschläge werden oft schlicht nicht berücksichtigt.

Dahin, wo’s wehtut

Außerdem beschäftigen wir uns mit der für Radfahrende unerfreulichen Verkehrssituation in Finkenwerder (siehe RadCity 1.23), mit der Veloroutenplanung und mit ungünstigen Ampelschaltungen (etwa am Hafentor). Der Initiative eines BG-Mitglieds ist der Vorschlag einer Busverbindung mit Fahrradtransport von Finkenwerder über Wilhelmsburg nach Billstedt zu verdanken. Denn da sowohl die Köhlbrandbrücke als auch die Norderelbbrücke der A1 keine Radwege führen, sind für die Überquerung der Elbe zum Teil sehr weite Umwege nötig.

Die Sperrung des Jungfernstiegs für den privaten Autoverkehr ist unbestritten eine Errungenschaft – aber in weiten Teilen des Bezirks Mitte ist von der Fahrradstadt Hamburg noch nicht viel zu sehen. Kürzlich beschloss die Bezirksversammlung, dass in Mitte zukünftig beim Ausbau der Radinfrastruktur keine Parkplätze mehr wegfallen sollen. Die Bezirksgruppe sucht daher dringend Mitstreiter*innen, die sich gemeinsam für ein sichereres und komfortableres Radfahren in Hamburg-Mitte einsetzen möchten.

Marcel Simon-Gadhof


Dieser Artikel stammt aus der aktuellen RadCity 3.2023

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