zwei Mädchen mit Schultaschen auf Fahrrädern

Kinder auf dem Weg zur Schule. © (c) ADFC/April Agentur

Dürfen Erstklässler*innen mit dem Fahrrad zur Schule fahren?

In einer Broschüre der Stadt heißt es: »Mit dem Rad sollten Erstklässler unter keinen Umständen in die Schule fahren.« Anja von Karstedt findet das Radfahrverbot unpassend und wandte sich an den ADFC.

Am 16. August erlebten in Hamburg rund 13.700 Kinder ihren ersten Schultag. Die Schulbehörde verteilte an deren Eltern schon zu Beginn des Jahres eine Broschüre zu allem, was die Eltern über die Grundschulzeit wissen sollten. Anja Karstadt schreibt dazu:

Gerade habe ich die Broschüre der Stadt zur Einschulung der Grundschüler gelesen und bin über den Satz gestolpert: Erstklässler sollten unter keinen Umständen mit dem Fahrrad zur Schule fahren. Ich finde das richtig unsinnig: Natürlich lassen wir unsere Kinder nicht ganz alleine in die Schule fahren. Aber da in unserem Einzugsgebiet – der Teichwiesenschule in Volksdorf – die Schulwege oft so um die zwei Kilometer lang sind, finden wir die seit Jahren praktizierte Lösung der begleiteten Fahrgruppen eine gute Lösung, die auch von Elternrat und Schulleitung mitgetragen wird.
Gruppen bilden mit Erwachsenen ...

Dabei fahren ca. fünf gleichaltrige Kinder (auch Vorschüler) mit einem Elternteil den Schulweg. Letztlich dauert der Hinweg – bis alle Kinder zusammen sind – nur unbedeutend weniger Zeit als wenn man zu Fuß unterwegs wäre. Auf dem Rückweg aber, wenn die Kinder, vor allem die Hort- und Ganztagsschulkinder, müde sind, spart man locker eine halbe Stunde Wegzeit.

Unsere Kinder sind zum großen Teil schon als Dreijährige Vielfahrer gewesen und kennen auf jeden Fall die Regeln, dass sie als Gruppe funktionieren und tun, was die Erwachsenen sagen. Außerdem wird eine Gruppe von fünf Radfahrern definitiv besser gesehen als einzelne Fußgängerkinder.
... und später »allein«

Ab der dritten Klasse, bzw. dem vollendeten 8. Lebensjahr fahren die Kinder dann mehr oder weniger alleine, d. h. ohne Erwachsene – bei ca. 50 Kindern, die je aus der einen Richtung auf einem Weg unterwegs sind, ist man nicht sehr alleine. Die Kinder fahren jeden Tag mit dem Fahrrad zur Schule, außer bei Glatteis und festgefrorenem Schneematsch. An diesen Tagen oder Wochen sind es dann doch Fußgänger und ein paar Mal im Jahr ist das auch ganz nett so.

Mit diesen festen Gruppen verzichten auch die Familien mit doppelt berufstätigen Eltern und straffen Zeitplänen auf hunderte Autokilometer im Jahr und viele Dauerautofahrer wurden bekehrt, weil sie einsahen, dass ihre Kinder so praktischer, schneller und zufriedener in die Schule kommen als bei jeder anderen Variante.

Meine eigenen Kinder sind jetzt 11, 9 und 6 Jahre alt. Ich kenne das System also schon eine Weile und habe mir vor ein paar Jahren auch von der Landesunfallkasse bestätigen lassen, dass wir unsere Kinder keiner unverantwortbaren Gefahr aussetzen. Sicherlich gibt es Stadtteile mit kürzeren Schulwegen und engeren und stressigeren Fahrradsituationen für Kinder, wo Fahrradfahren kaum funktioniert, aber das ist doch kein Grund für so eine Pauschalaussage seitens der Behörden.

Weite Wege Zum Schluss möchte ich noch hinzufügen, dass aufgrund der verschiedenen Schulprofile, die von der Stadt sehr gefördert werden und individueller Geschichte der Kinder mit begründeten Schulwechseln immer mehr Familien nicht die allernächste Grundschule aufsuchen.

Anja von Karstedt in RadCity 5/2011

»Empfehlung, nicht Verbot«

Wir sprachen mit Gunter Bleyer, Referent für Verkehrserziehung in der Behörde für Schule und Berufsbildung.

Für ein Radfahrverbot von Kindern gibt es keine rechtliche Grundlage. Warum also sollen Eltern ihre Erstklässler nicht mit dem Rad zur Schule lassen?

Gunter Bleyer: Es gibt einen bundesweiten Trend, Kinder erst ab der Radfahrausbildung nach der 4. Klasse in die Schule fahren zu lassen. Da Kinder beim Radfahren-Lernen ganz unterschiedliche Lernfortschritte machen, halte ich es aus pädagogischen Gründen für richtig, keine einheitliche Regelung ab wann Kinder mit dem Rad zur Schule fahren dürfen auszusprechen. Nur Erstklässlern empfehlen wir zunächst auf das Rad zu verzichten.

Welchen Hintergrund hat denn die Aussage in der Broschüre, dass Erstklässler nicht mit dem Rad zur Schule fahren sollen?

Wenn ein 6-Jähriger allein mit dem Fahrrad zur Schule fährt, ist er in der Regel überfordert. Wenn die Eltern dabei sind, ist es doch o. k. Wir haben aber unterschiedliche Regionen in Hamburg. Der eine Schulweg ist weitgehend autofrei, der andere führt über große Kreuzungen. Wenn Eltern sich bemühen, können sie sich langsam herantasten und dem Kind die Fähigkeiten vermitteln, die es für den Schulweg per Fahrrad benötigt. Wir sprechen hier ja eine Empfehlung aus und kein Verbot.

Wenn wir aber schreiben würden, die Kindern könnten ab der ersten Klasse mit dem Fahrrad zur Schule kommen, dann würden das ganz viele Eltern genau so für ihre Kinder vorsehen. Auch jene, die das noch nicht viel geübt haben und deren Kinder damit klar überfordert sind. Und das wollen wir vermeiden in einer Broschüre, die an alle Erstklässler verteilt wird. Deshalb ist die Fahrt zwar auch für Erstklässler nicht verboten. Aber in der ersten Klasse können die Kinder doch gerne mit dem Roller oder zu Fuß zur Schule gelangen.

Fragen: Ulf Dietze

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