Vor dem PDF war die Zettelwirtschaft: So haben sich die Schüler*innen aus Blankenese ihre Alternativvorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation rund um ihre Schulen erarbeitet.

Vor dem PDF war die Zettelwirtschaft: So haben sich die Schüler*innen aus Blankenese ihre Alternativvorschläge zur Verbesserung der Verkehrssituation rund um ihre Schulen erarbeitet. © AG Stadtteilschule/Gymnasium Blankenese

Das Fahrradprojekt

Eine Initiative von Blankeneser Schüler*innen zu Schulradwegen

Montag, 3. August 2023. Vor dem Rathaus Altona versammeln sich Schüler*innen aus der Klasse 10 b der Stadtteilschule Blankenese sowie aus der Umwelt-AG des Gymnasiums Blankenese. Es wird gekichert und gelacht, nur manche werfen ab und an einen verstohlenen Blick auf ihre Karteikärtchen. Das sind die, die in wenigen Minuten dem Verkehrsausschuss der Bezirksversammlung Altona ihre Ideen präsentieren werden.

Das Problem

Mittlerweile ist es ein vertrautes Bild vor den meisten Schulen in Hamburg: Vor allem zu den Stoßzeiten bricht dort das Verkehrschaos aus. Hunderte Schüler*innen wollen auf Fahrrädern, Rollern oder zu Fuß zum Unterricht oder – noch besser – auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause, während sich vor dem Haupteingang Karawanen von Eltern-Taxis stauen, die ihre Sprösslinge möglichst schnell und bequem absetzen oder abholen wollen. Nach Angaben der Behörde für Inneres wird derzeit jedes dritte Kind in Hamburg von den Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht.

Oft genug wird es daher unübersichtlich, und nicht selten richtig gefährlich: Die Hamburger Unfallstatistik des Jahres 2022 verzeichnet insgesamt 407 verunglückte Kinder (bis 14 Jahre), das sind also zwei verletzte Kinder an jedem einzelnen Schultag.

Die Idee

Viele Schüler*innen der Stadtteilschule sowie des Gymnasiums Blankenese nutzen täglich das Fahrrad. Sie sind daher auf eine komfortable und vor allem sichere Fahrradinfrastruktur angewiesen und wollen das allmorgendliche Verkehrschaos nicht mehr hinnehmen. Gleichzeitig sind sie die Expert*innen schlechthin für den Fahrradverkehr in Blankenese. Darum haben sie mit Unterstützung des Zukunftsforums Blankenese sowie der ADFC-Bezirksgruppe Altona Vorschläge erarbeitet, wie sich die Verkehrssituation rund um ihre Schulen entspannen lässt. Und entspannen bedeutet in diesem Fall: Wie sie sich fahrrad- und fußgängerfreundlicher gestalten lässt.

Die Umsetzung an den Schulen

Um die aktuelle Situation zu erfassen, wurden über 400 Schüler*innen gebeten, auf einer Karte von Blankenese und Umgebung ein bis drei Strecken einzuzeichnen, die sie am häufigsten mit dem Fahrrad befahren. Zusätzlich konnten sie angenehme und unangenehme Stellen kennzeichnen und Verbesserungsvorschläge skizzieren.

Auf dieser Grundlage wurden die besonders problematischen Stellen identifiziert, und dann ging es daran, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. So entstanden zwei Präsentationen, die wir auf diesen Seiten nur ansatzweise dokumentieren können. Die vollständigen Präsentationen sind auf der Webseite des Zukunftsforums Blankenese zu finden.

Polizei und Politik

Ende April wurden die Ergebnisse des Projekts dem Polizeikommissariat 26 als zuständiger Verkehrsbehörde vorgestellt. Nachdem die Rückmeldungen der Polizei sowie die Vorschläge des Zukunftsforums Blankenese und des ADFC eingearbeitet waren, konnte die nächste Stufe gezündet werden: der Besuch im Verkehrsausschuss der Bezirksversammlung.

Fast alle Fraktionen hören interessiert und konzentriert zu, loben die Initiative und versprechen, sich mit den Vorschlägen ernsthaft auseinanderzusetzen. Für die Schüler*innen ist das ein großes Erfolgserlebnis, und sie freuen sich, dass einige Maßnahmen bereits in der Planung oder Umsetzung sind. Andererseits wird auch Enttäuschung laut, weil zur Umsetzung baulicher Maßnahmen und zur Einrichtung von Fahrradstraßen, also in Richtung einer wirklichen Verkehrswende, keine konkreten Zusagen gemacht wurden.

Alles in allem aber nehmen die Schüler*innen viele positive Eindrücke aus diesem Projekt mit, und dazu einen zusätzlichen Bonus: Denn hier haben sie, quasi als Nebenprodukt, erste Erfahrungen in aktiver Teilhabe an politischen Prozessen und gelebter Demokratie sammeln können. Ein Projekt, das unbedingt zur Nachahmung empfohlen ist. Wer mehr darüber erfahren möchte, schreibt einfach eine E-Mail an radcity [at] hamburg.adfc.de, wir übernehmen die Vermittlung.

Leo Strohm


Dieser Artikel stammt aus der aktuellen RadCity 3.2023

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