
Eine zentrale Forderung des ADFC: Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt © Kay Brockmann
Sichere Schulwege
Am 4. September startete der Unterricht in Hamburg wieder. Nach Angaben der Schulbehörde werden ein Drittel aller Schulkinder mit dem Auto zum und vom Unterricht gefahren. Wir haben Lösungen, damit der Anteil sinkt!
Die Lebensqualität einer Stadt lässt sich an der Zahl der sich auf der Straße selbständig bewegenden Kinder und Älteren messen. Dieses Zitat des berühmten Stadtarchitekten Jan Gehl legt den Finger in die Wunde, gerade jetzt, zum Beginn eines neuen Schuljahrs. Kinder im Grundschulalter sind in Hamburg nur selten selbständig unterwegs. Nach Angaben der Schulbehörde werden mittlerweile ein Drittel aller Schulkinder mit dem Auto zum Unterricht gebracht und abgeholt. Dadurch ballt sich vor vielen Schulen der motorisierte Verkehr, was regelmäßig zu unübersichtlichen und viel zu oft zu gefährlichen Situationen führt.
Zum Schulstart appelliert die Schulbehörde daher im Rahmen der Aktionswochen Zu Fuß zur Schule an Schüler*innen, den Schulweg zu Fuß, mit dem Roller oder dem Rad zurückzulegen. Selbständig zurückgelegte Wege sind erwiesenermaßen wichtig für die Entwicklung der Kinder, sie stärken das Selbstbewusstsein, die Orientierung und sorgen für tägliche Bewegungseinheiten.
Schulweg ist Stress
Aber nicht nur die letzten Meter vor der Schule bergen Gefahren. Auch im weiteren Umfeld ist es um die Sicherheit und Sichtbarkeit von Kindern und Jugendlichen nicht gut bestellt. Querungen und Einmündungen sind gnadenlos zugeparkt, dazu kommt der stetig zunehmende LKW-Verkehr. Besonders in Gebieten mit vielen Schulen, Kitas und Freizeiteinrichtungen – exemplarisch ließe sich der Schulcluster Eimsbüttel zwischen Isebekkanal, Grindelberg und Schäferkampsallee nennen, wo täglich mehr als 6.000 Kinder und Jugendliche unterwegs sind – sorgt das für Dauerstress bei allen Beteiligten, nicht zuletzt auch bei den Eltern.
Damit diese ihre Kinder allein zur Schule und ihren Freizeitaktivitäten gehen oder fahren lassen, müssen sie darauf vertrauen können, dass die Kinder auch sicher ankommen. Hierfür braucht es in erster Linie eine geeignete Infrastruktur, darüber hinaus aber auch kontinuierliche Verkehrskontrollen sowie die konsequente Ahndung von Regelverstößen.
Neben der zügigen Einrichtung von temporären und permanenten Schulstraßen müssen daher auch verschiedene weitere Voraussetzungen geschaffen werden.
Mehr Transparenz
Für den gesamten Bereich der Kinder- und Schulmobilität fordern wir mehr Transparenz. Eltern, Schulen und sonstigen Aktiven, die sich für sichere Schulwege einsetzen, muss klar sein, an wen sie sich wenden können. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Wege durch die Verwaltung für viele Menschen noch sehr undurchsichtig und verschlungen.
Sichere Schulwege müssen wichtiger sein als der Erhalt von Parkplätzen. Daher müssen alle Maßnahmen, die der Sicherheit von Kindern und Jugendlichen dienen, beschleunigt geprüft und ohne Einschränkungen umgesetzt werden. Das gilt auch und ganz besonders für Hamburgs erste permanente Schulstraße vor der Grundschule Rellinger Straße.
Tempo 30
Für eine sichere Kinder- und Jugendmobilität ist es unerlässlich, dass überall dort, wo Tempo 30 möglich ist, dieses auch zügig eingerichtet wird. Noch immer ist im Umfeld vieler Schulen Tempo 50 erlaubt, obwohl die Straßenverkehrsordnung inzwischen Tempo 30 auf hoch frequentierten Schulwegen ausdrücklich ermöglicht.
Parkverbote und Sanktionierung von Falschparkern
Viele Schulwege sind gnadenlos zugeparkt. Polizei und Bezirksämter müssen durch konsequente Sanktionierung von Falschparker*innen für freie Sichtachsen sorgen.
Sichere Querungen
Auch muss die Hamburger Polizei endlich ihre ablehnende Haltung gegenüber Fußgängerüberwegen aufgeben und diese im Umfeld von Schulen verstärkt einrichten.
Zeitlich abgestimmte Routen für Müllfahrzeuge
Die Routen von Müllfahrzeugen müssen (und können!) so geplant werden, dass sie zu den Stoßzeiten die Nähe von Schulen meiden.
Mehr Kapazitäten in und effektivere Kommunikation zwischen den Behörden
In vielen Bezirksämtern Hamburgs wird Schulwegsicherheit immer noch als Randthema betrachtet. Dadurch findet Schulwegplanung häufig nur in punktuellen Einzelmaßnahmen statt. Darüber hinaus muss die Vernetzung mit den ebenfalls zuständigen Verkehrsabteilungen verbessert und Prozesse müssen beschleunigt werden.
Fokus auf Sicherheit
Wichtiger Akteur im Bereich der sicheren Kinder- und Jugendmobilität ist die Polizei. Von aktiven Eltern wird diese oft als Blockierer bei Maßnahmen für mehr Schulwegsicherheit wahrgenommen. Die Polizei muss konsequenter die Perspektive der schwächsten Verkehrsteilnehmer*innen berücksichtigen.
Verkehrserziehung
In den letzten Jahren hat die Polizei ihre Aktivitäten im Bereich der Kinder- und Jugendmobilität stetig zurückgefahren: Ein Drittel der Stellen der Polizeilehrkräfte für den Radverkehrsunterricht an Grundschulen sind unbesetzt. An vielen Grundschulen findet daher kein Radverkehrsunterricht mehr statt, an Kitas hat die Polizei ihre Aktivitäten ganz eingestellt. Das muss sich ändern! Gegebenenfalls müssen externe Akteure integriert werden, wenn die Polizei hier ihre Aufgaben nicht erfüllen kann.
Katharina Lepik