Tempo 30 verweigert – Veloroute 4 auf dem Gehweg?
In Langenhorn verläuft die Veloroute 4 auf einer Strecke von 290 Metern über Hohe Liedt und Neubergerweg. Was dort eine angemessene Gestaltung wäre, darüber streiten ADFC und Politik auf der einen Seite gegen Polizei und Verwaltung auf der anderen.
Dieser Straßenzug ist von Bäumen gesäumt und hat eine Fahrspur je Richtung. Es gibt alte, nicht benutzungspflichtige Radwegfragmente neben den Gehwegen. Auf der Fahrbahn ist Tempo 50 erlaubt. Radfahrende nutzen meist die unzureichenden Radwege. Für die Veloroute 4 muss hier umgestaltet werden. Über das Wie gehen die Vorstellungen auseinander.
Die bereits vorgestellten Pläne sehen den Erhalt der Bäume vor, darüber herrscht noch Einigkeit. Dass die Gehwege in vernünftiger Breite neu gepflastert werden sollen und die Radwegreste entfernt werden, ist auch unstrittig.
Für regelkonforme Radverkehrsanlagen ist kein Platz, weder neben den Fahrspuren noch neben den Gehwegen. Der Plan ist deswegen, Radverkehr sowohl auf der Fahrbahn im Mischverkehr bei Tempo 50 weiterhin zu erlauben, als auch auf den Gehwegen. Weil wegen der nahe gelegenen Schulen mit einem erhöhten Schülerverkehrsaufkommen zu rechnen sei, wolle die Straßenverkehrsbehörde mit der sogenannten Servicelösung (Gehweg/Radfahrer frei) die Schulwegsicherheit erhöhen. Schüler*innen bis 10 Jahren und einer Begleitperson ist es allerdings ohnehin erlaubt, die Gehwege zu nutzen.
ADFC fordert Tempo 30
Nicht nur der ADFC hat sich deutlich gegen diese Planung ausgesprochen und Tempo 30 gefordert. Ist hier kein Platz für getrennte Führungen, muss die erlaubte Geschwindigkeit auf der Fahrbahn begrenzt werden. Das Problem des knappen Straßenraums darf nicht auf Kosten der Zu-Fuß-Gehenden gelöst werden. Und auch für Radfahrende ist die geplante Lösung nicht das, was den Qualitätsstandards einer Veloroute entspricht und sicheres, entspanntes Radfahren garantiert: Entweder bei Tempo 50 im Mischverkehr auf der Fahrbahn oder im Schritttempo auf dem Gehweg zu fahren.
Auch bestreiten wir, dass sich die Schulwegsicherheit durch das Radfahren auf Gehwegen erhöht. Im Gegenteil: An den querenden Straßen und Einfahrten rechnen Autofahrer*innen nicht mit dem schnelleren Radverkehr auf dem Gehweg, dadurch ergeben sich Gefahrenstellen, obwohl es sich auf dem Gehweg für Schüler*innen sicherer anfühlen mag als auf der Fahrbahn.
Interfraktioneller Antrag
Die Politik hat bereits reagiert: Es gab im für Langenhorn zuständigen Regionalausschuss einen interfraktionellen Antrag, die Pläne zu überarbeiten. Für die Bezirksversammlung hatte Grün-Rot das noch einmal konkretisiert und in einem weiteren Antrag Tempo 30 gefordert.
Die Reaktionen auf die Forderung nach Tempo 30 sind ernüchternd: Polizei und Verkehrsdirektion lehnen es ab, weil es keine rechtlichen Grundlagen für die Einrichtung einer Tempo-30-Strecke gebe. Außerdem handele es sich bei dieser Straße um eine wichtige Querverbindung zwischen den Hauptverkehrsstraßen Tangstedter Landstraße und Langenhorner Chaussee. Des Weiteren seien keine Unfälle oder anderen Auffälligkeiten aus der Straße Hohe Liedt bekannt.
Es ist inakzeptabel, dass die Einrichtung einer Veloroute und ein erhöhtes Schüler*innenaufkommen keine Gründe für die Einrichtung von Tempo 30 sind und die Verbindungsfunktion für den Kfz-Verkehr Priorität hat vor der Verkehrssicherheit und der Verbindungsfunktion, die eine Veloroute für den Radverkehr herstellt.
Als Antwort auf den interfraktionellen Antrag heißt es aus der Verwaltung, die Politik – und nicht die Polizei! – bremse hier Maßnahmen des »Bündnisses für den Radverkehr« aus, zu deren Unterstützung sie sich schließlich verpflichtet habe. Auf der Veloroute 4 könnten wegen solcher Verzögerungen terminliche Ziele gegebenenfalls nicht erreicht werden und die Ziele des Antrags seien (wegen der polizeilichen Entscheidung) ja offensichtlich nicht umsetzbar.
Anders gesagt: Widerworte unerwünscht! Der Verwaltung geht es offenbar vor allem darum, den Bau des Veloroutenabschnitts zügig abzuhaken – Qualität Nebensache.
Kfz-Verkehr wichtiger als Veloroutenausbau
Verkehrsdirektion und Polizeikommissariat 34 weigern sich, durch die von der Politik beantragte Einrichtung von Tempo 30 in Hohe Liedt / Neubergerweg die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer*innen zu verbessern. Der Antrag auf eine Geschwindigkeitsbegrenzung ließe, so die Begründung der Polizei, außer Acht, dass das Radfahren auf der Straße bei Tempo 50, der nach § 3 Absatz 3 Straßenverkehrsordnung (StVO) »unter günstigsten Umständen zulässige(n) Höchstgeschwindigkeit«, gesetzlich der Normalfall sei. Die Anordnung von Tempo 30 sei dagegen eine in dieser Straße unzulässige Verkehrsbeschränkung. Kinder bis acht Jahre müssten und Kinder bis zehn Jahren dürften ohnehin die Gehwege nutzen, führt die Polizei aus. Dem Wunsch, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf einer Veloroute und aus Sorge um die Sicherheit von Kindern auf dem Weg zur Schule zu reduzieren, könne sie nicht entsprechen. Die Durchfahrtsfunktion der Straße für Autos habe demgegenüber Vorrang. Die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer*innen sieht die Polizei für gegeben an, weil in den fraglichen Straßen bislang keine auffällige Unfalllage vorläge. Die Verbindung zweier Hauptverkehrsstraßen für den Kfz-Verkehr schätzt die Polizei demnach für wichtiger ein als die Funktion der Strecke als eine Hauptroute für den Radverkehr (Veloroute 4).
Der ADFC sieht dagegen in der Nutzung von Gehwegen – sofern durch Sonderzeichen oder aufgrund des Alters der Verkehrsteilnehmer*innen erlaubt – oder von gebauten Radwegen eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer*innen. Die Gefahr von Abbiegeunfällen ist auf (frei gegebenen) Gehwegen deutlich höher als beim Fahren auf der Fahrbahn. Auf der Fahrbahn sorgen allerdings die bei Tempo 50 größeren Geschwindigkeitsunterschiede zwischen Radfahrenden und Autofahrer*innen sowie die längeren Bremswege für eine deutlich geringere Sicherheit als bei Tempo 30.
Unfallgefahr erhöht
Die Argumentation der Polizei, u.a. wegen der Durchgangsfunktion Tempo 50 beizubehalten, steht zudem im Widerspruch zu den Vorgaben der Verwaltungsvorschrift zur StVO. Danach ist die Verkehrssicherheit in jedem Fall höher zu bewerten als die Flüssigkeit des Verkehrs. Die Verwaltungsvorschrift zu den §§ 39 bis 43: I. 2. StVO lässt daran keinen Zweifel: »Die Flüssigkeit des Verkehrs ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu erhalten. Dabei geht die Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer der Flüssigkeit des Verkehrs vor.«
Die Öffnung der Gehwege für Radverkehr erhöht die Unfallgefahr auf den gemeinsam genutzten Flächen. Wenn sich die Straßenverkehrsbehörde der Polizei schon nicht dem Willen der Politik (und der Menschen) nach mehr Verkehrssicherheit beugen will, so gäbe es hier die Möglichkeit, durch flächenhafte Verkehrsberuhigung, Einrichtung des Veloroutenstücks der Strecke als Fahrradstraße u. ä. Maßnahmen für eine höhere Verkehrssicherheit zu sorgen. Eine Reduzierung der erlaubten Geschwindigkeit mit der Begründung abzulehnen, dass bislang »keine auffällige Unfalllage« vorläge, kann uns nicht zufriedenstellen.
Andrea Kupke