Wie sicher fühlst du dich auf dem Fahrrad?
Sicherheit ist nicht immer ein harter Fakt, sondern häufig ein Gefühl. Aus diesem Grund haben wir Radfahrer*innen in Hamburg befragt, wie sicher sie sich beim Radfahren fühlen.
Nachdem es in der aktuellen Ausgabe der RadCity (2/2022) um die Übermacht des Autos im Straßenverkehr geht, haben wir Radfahrer*innen in Hamburg befragt, wie sicher sie sich beim Radfahren fühlen und welche Rolle dabei das Auto und die Infrastruktur spielen.
Alex
Fährt hauptsächlich im Westen Hamburgs
„Ich fühle mich seit der Einführung der Pop-Up-Bikelanes zwischen dem Schlump und der Rothenbaumchaussee auf meinem täglichen Arbeitsweg wesentlich sicherer. Es ist sehr erfreulich und der einzig richtige Weg, dass die Bikelanes jetzt zu permanenten Fahrradspuren werden. Problematisch ist, dass zu viele Autofahrer*innen die Streifen als Parkstreifen nutzen. Das Überholen dieser Autos und das Ausscheren auf die eine verbliebene Autospur mit dem Fahrrad ist umso gefährlicher. Hier fehlt es meiner Ansicht nach noch zu sehr an der Kontrolle und der Sanktionierung von Falschparker*innen.“
Thomas
Fährt hauptsächlich in der Innenstadt
„Ob ich mich beim Radfahren sicher fühle oder nicht, hängt stark davon ab, wo ich Fahrrad fahre. Manche Radstrecken sind einfach besser ausgebaut als andere, haben zum Beispiel breitere Streifen für eine deutlichere Trennung zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrer*innen. Und das macht natürlich einen Unterschied. Aber ich sehe nicht nur die Kraftfahrzeuge als Bedrohung für Radfahrende. Gerade wenn Radwege zweispurig und dann auch noch eng sind, so wie an der Ostseite der Außenalster, kann es auch schnell zu Unfällen zwischen Radfahrer*innen oder mit Fußgänger*innen kommen. Oft hat man das Gefühl, dass die Radfahrenden als eine Masse gesehen werden, die alle gleich schnell fahren, und dass somit ein schmaler Streifen ausreicht. Aber die Wirklichkeit sieht ja anders aus. Es gibt langsamere und schnellere, und folglich kommt es zu Überholmanövern, die dann teilweise sehr riskant sind.
Insgesamt fühle ich mich auf den Radwegen, die ich in meinem Alltag in Hamburg befahre, sicher. Allerdings sieht man hier auch sehr deutlich, in welchen Gebieten die Interessen der Radfahrer*innen stärker vertreten sind als in anderen, und wo es folglich bessere und schlechtere Radwege gibt.“
Kathrin
Fährt hauptsächlich in der Innenstadt und im Norden Hamburgs
„Ich kann nicht allgemein sagen, ob ich mich beim Radfahren in Hamburg sicher fühle. Es sind natürlich immer Autos mit im Straßenverkehr, und die werden als wichtiger wahrgenommen. Das zeigt sich schon allein daran, wie viel Platz den Autos im Vergleich zu den Radfahrenden zukommt und wie selten ein Verständnis für Radfahrer*innen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer*innen vorliegt. Mir ist es vor ein paar Tagen sogar passiert, dass mir ein Auto beim Abbiegen rechtmäßig Vorfahrt gewährt hat und gleichzeitig von hinten angehupt wurde, weil aus „unerklärlichen“ Gründen abgebremst wurde. Inwiefern die Kraftfahrzeuge mir aber ein Gefühl der Unsicherheit vermitteln, kommt sehr darauf an, wie die Infrastruktur für Radfahrer*innen ist. Bei breiten, deutlich gekennzeichneten Fahrradstreifen auf der Fahrbahn fühle ich mich beispielsweise sogar noch sicherer, als wenn ich Radfahrstreifen auf den Gehwegen benutze, die ja weiter von den Kraftfahrzeugen entfernt sind. Aber diese Radfahrstreifen sind häufig schmal, in einem schlechten Zustand und man ist so weit von den Autos weg, dass in meinen Augen die Gefahr größer ist, übersehen zu werden. Wenn ich auf einem Radfahrstreifen direkt am Straßenverkehr teilnehme, kann ich mich einfügen, Blickkontakt aufnehmen und mich besser bemerkbar machen. Um sicherer und entspannter zu fahren, nehme ich auch gerne mal einen kleinen Umweg in Kauf und suche mir die Route gezielt nach den genannten Kriterien aus.“
Ursula
Fährt hauptsächlich im Nordwesten Hamburgs und in der City
„Wenn ich mit dem Fahrrad in Hamburg unterwegs bin, fahre ich immer vorausschauend nach dem Sechs-Augen-Prinzip: vorne, hinten und seitlich muss ich alles im Blickfeld haben, damit ich mich sicher fühle. Dabei sehe ich nicht nur die Kraftfahrzeuge als Gefahrenquelle, auch wenn man schon sagen muss, dass ihnen deutlich mehr Platz zugestanden wird als allen anderen Verkehrsteilnehmer*innen. Es wird insgesamt enger im Straßenverkehr. Fußgänger*innen, Elektrorollerfahrer*innen und Radfahrer*innen – alle mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten – müssen sich häufig den vorhandenen Platz teilen, und das führt zu Stresssituationen. Wenn dann noch eine Baustelle oder widerrechtlich geparkte Fahrzeuge dazu kommen, ist das Chaos perfekt.
Die Infrastruktur hinkt meines Erachtens dem Zuwachs hinterher. Vor allem im Innenstadtbereich wird zwar viel für den Ausbau und die Sichtbarkeit der Radwege getan, in den äußeren Bereichen sind die Radwege allerdings häufig so schlecht beschaffen und gekennzeichnet, dass ich mich auf ihnen nicht sicher fühle. Für mich sind die sichersten Radfahrstreifen die, die farblich deutlich von den anderen Oberflächen abgesetzt sind und somit klar signalisieren, dass hier ein besonderer Bereich ist, auf den man als andere*r Verkehrsteilnehmer*in achten sollte.
Insgesamt kann man aber schon sagen, dass sich die Infrastruktur verbessert hat, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass Vorhaben zur Sicherheit der Radfahrer*innen eher halbherzig umgesetzt werden, um den Autofahrer*innen nicht zu viel Platz wegzunehmen.“